Symbolfoto Kreuzfahrt

Für die Kreuzfahrt lauern weiter Untiefen

Für den Täglichen Hafenbericht (THB) habe ich mich mit der Situation der Kreuzfahrtbranche befasst, nachdem der Weltmarktführer für Urlaub auf dem Wasser, die Carnival Corporation, umfassende Umstrukturierungen angekündigt hatte.

Auch wenn immer mehr Kreuzfahrtschiffe wieder mit Passagieren in See stechen, hat die Corona-Pandemie weitreichende Folgen für die Reedereien. 2019 gingen noch 3,7 Millionen Deutsche auf Kreuzfahrt, im Corona-Jahr 2020 waren es dem Deutschen Reiseverband (DRV) zufolge nur 1,4 Millionen.

Kürzlich kündigte der deutsche Markführer AIDA Cruises überraschend an, sich sowohl vom allerersten Schiff der Flotte, AIDAcara trennen zu wollen und zudem auf den für 2023 geplanten Neubau von der Meyer Werft zu verzichten. Ein Glückfall für die Schiffbauer aus dem Emsland: Der Auftrag wurde nicht storniert, das noch namenlose Schiff geht an die Carnival-Kernmarke Carnival Cruise Line. Für den US-Markt ist der Reederei-Gigant, die Nummer eins beim Urlaub auf dem Wasser weltweit, offensichtlich optimistischer und zieht bei seiner italienischen Marke Costa Crociere die COSTA MAGICA ab, um sie zusätzlich ab 2022 bei Carnival Cruise Line zu vermarkten. 2023 mit der Übernahme der CARNIVAL CELEBRATION, die derzeit bei Meyer Turku gebaut wird, besteht die Flotte von Carnival Cruise Line dann aus 27 Schiffen.

Bei der deutschen Nummer eins in Sachen „Urlaub auf dem Wasser“, AIDA Cruises, war die AIDAcara seit 25 Jahren im Dienst, lag seit Beginn der Pandemie auf und ist nun an einen noch unbekannten Abnehmer verkauft. Möglich erscheint aufgrund nur aufwendiger Umbauarbeiten für einen anderen Kreuzfahrt-Anbieter auch die Verschrottung. Bereits vor Corona deutete sich aufgrund des Alters und des von der Reederei sich selbst auferlegten Zieles, die AIDA-Flotte bis 2040 emissionsneutral zu machen, der Abschied der Ur-AIDA an.

Die Kassen müssen sich wieder füllen 

 

Float out AIDAnova Meyer Werft, Foto Christoph Assies
Nach der AIDAcosma wird auf der Papenburger Meyer Werft vorerst kein weiteres Schiff für AIDA Cruises gebaut. Symbolfoto: Christoph Assies

Was aus den Wachstumsplänen von vor einigen Jahren bei Carnival wird, bleibt abzuwarten. Die Kassen müssen sich nun erst einmal wieder füllen. Durch die Corona-Pandemie verbuchte die Carnival Corporation einen Umsatz von 34 Millionen US-Dollar, das ist ein Rückgang von 99,3 Prozent. Seit März 2020 hat der Kreuzfahrtanbieter insgesamt 23,5 Milliarden US-Dollar an Fremd- und Eigenkapital aufnehmen müssen. Zum Vergleich: In einem internen Bericht der Meyer Werft, der dem THB vorliegt, heißt es, dass die Summe des Schuldenstandes dem Preis von mehr als 30 neuen Kreuzfahrtschiffen einer Größe von 130.000 GT entspricht. Die Schiffbauer von Meyer gehen deshalb mittelfristig nicht von Neubestellungen von großen Kreuzfahrtschiffen aus. Am Stammsitz in Papenburg droht deshalb ein Abbau von mindestens 450 Arbeitsplätzen, weil das Traditionsunternehmen in den vergangenen Jahren auf insgesamt 4200 Mitarbeiter für den Bau von vier großen Kreuzfahrtschiffen im Jahr angewachsen war.

Schon im vergangenen Jahr hatte Costa-Chef Michael Thamm in Medienberichten Hoffnungen auf die Bestellung neuer Schiffe gedämpft. Man werde die bestellten Neubauten abnehmen, dann aber in den kommenden zwei bis drei Jahren keine neuen Schiffe bestellen. Für die Carnival Corporation mit ihren neun Marken stehen in den Orderbüchern der Meyer Werften in Papenburg und Turku, sowie bei den italienischen Fincantieri-Werften in Monfalcone und Marghera noch 13 Schiffe bis in das Jahr 2025. Darunter sind allein fünf Giganten der Helios-Baureihe, die auf der AIDAnova  basieren. Jedes dieser Schiffe, die allesamt mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden, hat Platz für rund 6500 Passagiere

Es kommt also neue Hardware, aber wie entwickelt sich die Branche nach der Pandemie? Die Unsicherheiten in dem einst am stärksten wachsenden Tourismus-Sektor sind groß. Die Reedereien wissen derzeit nicht, wann sie wieder alle Schiffe betreiben können und wann die Kreuzfahrer wieder zu 100 Prozent ausgelastet werden können. Costa Crociere bringt aktuell beispielsweise auf ihrem Flaggschiff COSTA SMERALDA, das Platz für maximal 6518 Passagiere bietet, nur 70 Prozent der Gesamtpassagierkapazität an Bord.

Coronavirus an Bord immer noch präsent

Die Gefahr des Coronavirus und der verschiedenen Mutationen ist auch trotz penibel und engmaschig durchgeführter Kontrollen sowie mit großer Sorgfalt ausgearbeiteter Sicherheits- und Hygieneprotokolle allgegenwärtig. Die US-Reederei Royal Caribbean musste erst kürzlich eine Kreuzfahrt verschieben, weil sich acht Crew-Mitglieder mit Covid-19 infiziert hatten. Gebucht wird wegen derartiger Meldungen, die Massenmedien meist prominent streuen, derzeit meist nur von Stammgästen.

Das zaghafte Comeback der Branche macht sich auch an der Börse bemerkbar. Während Wertpapiere anderer Tourismus-Unternehmen fast auf vor-Corona-Niveau sind, steigen die Kurse der Kreuzfahrtunternehmen nur langsam. Carnival-CEO Arnold Donald sagte der „Financial Times“ im Frühjahr, er gehe davon, dass sich das Unternehmen von der Pandemie erst 2023 vollständig erholt habe.

Dass die Menschen wieder auf See hinaus wollen, zeigen die Buchungen bei den Reedereien. So brach der Verkaufsstart für die ersten Reisen im August 2022 mit der NORWEGIAN PRIMA, dem neuen Flaggschiff der US-Reederei Norwegian Cruise Line nach Unternehmensangaben Rekorde. Dem DRV zufolge steige die Zahl der Buchungen für Kreuzfahrten im Sommer 2022 überproportional an. Der Dampfer „Kreuzfahrt“ scheint also wieder in Gang zu kommen, feststeht aber: Corona hat zu ordentlichen Kratzern am Rumpf geführt.

Christoph
mail@christoph-assies.de
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