Die Homeric vor ihrem Stapellauf. Foto: Archiv Meyer Werft

Erstes Meyer-Kreuzfahrtschiff vor der Verschrottung?

Das erste Kreuzfahrtschiff in der 225-jährigen Geschichte der Meyer Werft könnte bald Geschichte sein. Die Reederei Marella Cruises, eine britische Marke des TUI-Konzerns, hat angekündigt, die MARELLA DREAM nach einem Jahrzehnt Dienst aus der Flotte zu nehmen. Das Schiff wurde 1986 als HOMERIC bei der Home Lines in Dienst gestellt.

Mit der Umstellung des Kreuzfahrtprogramms für das kommende Jahr als Konsequenz auf die anhaltenden Reisebeschränkungen durch die Corona-Pandemie wird die MARELLA DREAM dem Reedereichef Chris Hackney zufolge nach zehnjähriger Dienstzeit „frühzeitig pensioniert“.

Ausmusterung bei Marella war 2024 geplant

Früher als geplant, denn Marella hatte im Frühjahr 2019 angekündigt, die MARELLA DREAM werde 2024 die Flotte verlassen. Den Schritt hat die Reederei für das 243,20 Meter lange und 29,73 Meter breite Kreuzfahrtschiff angesichts der Corona-Umsatzeinbußen nur vorgezogen. Damit könnte das Ende des ersten Papenburger Kreuzfahrtschiffes auf einer Abwrackwerft besiegelt sein. Gleiches Schicksal, nämlich die Verschrottung, trifft auch die 1990 bei Meyer gebaute HORIZON im türkischen Aliaga. Dort werden aktuell fünf Kreuzfahrtschiffe, die SOVEREIGN und die MONARCH von Pullmantur sowie die CARNIVAL INSPIRATION, CARNIVAL FANTASY und CARNIVAL IMAGINATION von Carnival Cruise Line zerlegt.

Fünf Kreuzfahrtschiffe werden aktuell im türkischen Aliaga zerlegt. Screenshot: Facebook/ Singapore Cruise Society
Die HOMERIC als THOMSON DREAM 2010 in Palma de Mallorca. Foto: Christoph Assies

Die MARELLA DREAM hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Alles begann mit dem größten Querstapellauf in der Geschichte am 28. September 1985 in Papenburg. Die Meyer Werft hatte zuvor mit dem Bau von Fähren und Gastankern bewiesen, dass sie in der Lage war große und komplexe Schiffe zu bauen. 

Im April 1984 gab die Werft den Bau ihres ersten Kreuzfahrtschiffes bekannt. Ein historischer Entwicklungssprung und die Verdreifachung der damaligen Schiffsgrößen. Die Belegschaft wuchs auf insgesamt 1650 Mitarbeiter. Damals konnte niemand absehen, dass das Papenburger Unternehmen einmal zu den Top-3-Werften für Kreuzfahrtschiffe werden würde.

Bau unter freiem Himmel

Gebaut wurde die HOMERIC unter freiem Himmel auf einer Helling bei Wind und Wetter, besonders unter erschwerten Bedingungen im Winter 1984/85. Nach dem spektakulären Querstapellauf, mit dessen riesiger Welle sogar Fische aus dem Hafenbecken an Land gespült wurden, ging die HOMERIC nach Weihnachten 1985 auf ihre erste Probefahrt in der Nordsee. 

Heute unmöglich, kehrte das Schiff nach den Erprobungen über die Ems nach Papenburg zurück. Insgesamt zwei Emspassagen von Papenburg zur Nordsee absolvierte die HOMERIC – später sollte es noch eine dritte werden, allerdings unter einem anderen Namen.

Am 6. Mai 1986 wurde das erste Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft nach einer finalen Inspektionsdockung bei Blohm & Voss in Hamburg an die griechische Reederei Home Lines übergeben. Schneeweiß, mit blauer Bauchbinde und gelbem Schornstein nahm sie ihren Dienst auf. 

In der kleineren der beiden Baudockhallen der Meyer Werft begann Ender der 1980er Jahre die Verlängerung der HOMERIC. Foto: Christoph Assies

1987 wurde die kleinere der beiden Baudockhallen der Meyer Werft in Betrieb genommen und dorthin kehrte die HOMERIC zurück. Im November 1988 wurde sie von der Holland-America-Line übernommen und als erstes und vermutlich einziges Kreuzfahrtschiff der Meyer Werft von Oktober 1989 bis März 1990 von 204 Meter auf 243,20 Meter verlängert und in WESTERDAM umbenannt. Zwischen Schornstein und Magrodome wurde das Schiff zerteilt und ohne Wasser unter dem Kiel um fast 40 Meter auseinander gezogen. Vorgefertigte Blöcke wurden ins Dock zwischen Bug- und Heckelement auf Pallungen gelegt. Durch die Erweiterung stiegt die Passagierkapazität und das Schiff erhielt eine Showlounge über zwei Decks. 

Die HOMERIC als WESTERDAM. Foto: Archiv Meyer Werft
Die HOMERIC nach ihrer Verlängerung als WESTERDAM. Foto: Archiv Meyer Werft

Ein Schiff – fünf Namen

Nach einer langen Zeit als WESTERDAM kam das Schiff im April 2002 als COSTA EUROPA für Costa Crociere in Fahrt, ehe sie 2010 zur THOMSOM DREAM bei Thomson Cruises, einer Tochtergesellschaft des Reisekonzerns TUI UK wurde. Nach der Umbenennung der Reederei in Marella Cruises erhielt die frühere HOMERIC 2017 ihren fünften und mutmaßlich ihren letzten Namen: MARELLA DREAM.

In Papenburg und bei Kreuzfahrtschiff-Enthusiasten ist das Träumen über eine gute Zukunft dieses Klassikers nun eröffnet – mit ein paar Detail-Impressionen von meiner Begegnung mit der alten Lady 2010 auf Mallorca und mit dem Youtube-Fund…

Christoph
mail@christoph-assies.de
2 Comments
  • Henry
    Posted at 07:00h, 12 Mai Antworten

    Hallo,

    Schade um das schöne Schiff 🙁

    Wie ist das mit der dritten Emspassage zur Nordsee gemeint? Ich dachte jetzt immer, das Schiff hätte zwar drei mal die Ems durchquert allerdings nur 2 mal von der Werft Richtung Meer!?

    • Christoph
      Posted at 07:20h, 12 Mai Antworten

      Hallo,
      damals fuhr man auch nach der Probefahrt zurück nach Papenburg. Klingt verrückt, war aber so. Heute undenkbar und unmöglich.

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